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Digitale Transformation

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Um die Wettbewerbsfähigkeit Europas als Digital- und Innovationsstandort sicherzustellen, die Eigenständigkeit auszubauen und das Potential in der EU voll ausschöpfen zu können, bedarf es in der sich rasant verändernden digitalen Welt einer Dynamisierung der Entscheidungsmechanismen und Gesetzgebung in der EU.

In den Bereichen digitale Infrastruktur und Einsatz neuer Technologien, Datenschutz und Identitätsrechte und digitaler (Aus- und Weiter-)Bildung ist eine akkordierte, eng getaktete und europaweit möglichst einheitliche Vorgehensweise notwendig. Denn fragmentierte einzelstaatliche Umsetzungen im Rahmen von nationalen Aktions- oder Implementierungsplänen (NIPs) tragen zu einem Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten bei, das die EU schwächt und die Wettbewerbsfähigkeit der Gesamtregion reduziert.

Die Verschränkung von Umsetzungen in unterschiedlichen Politikbereichen auf EU-Ebene untereinander trägt dazu bei, dass auch in den Nationalstaaten ressortübergreifende Strategien und Umsetzungen in den Vordergrund rücken müssen. Beispielsweise sind die Vorhaben innerhalb der Europäischen Säule sozialer Rechte (wie die Skills Agenda mit dem Pact for Skills), der EU-Aktionsplan für digitale Bildung und der Digitale Kompass der Europäischen Kommission eng miteinander verzahnt. Dies muss auch auf Ebene der Mitgliedsstaaten verstärkt vorangetrieben werden.

Die Möglichkeit a) von übergeordneter Ebene digitale Schwerpunkte für staatenübergreifende Regionen mit ähnlichen strukturellen Voraussetzungen setzen zu können, b) strategisch für ein zentrales Cybersicherheitskonglomerat in einer länderübergreifenden europäischen Region zu entscheiden oder c) zentral einen ausgeglichenen Ausbau der ruralen digitalen Infrastruktur über alle EU-Länder hinweg umzusetzen, würde ungeheures Potenzial bergen.

Die rasch voranschreitende digitale Transformation bedarf flexibler und rascher Handlungsfähigkeit, damit wir als Wirtschaftsraum in der Globalisierung mithalten können. Jüngste Beispiele wie die Umsetzung der Digitalsteuer haben gezeigt, wie sehr das Einstimmigkeitsprinzip Vorhaben blockieren kann und die Interessen einzelner EU-Mitgliedsstaaten vor die Interessen der Gemeinschaft stellt. Das Einstimmigkeitsprinzips muss insbesondere bei bedeutenden Digitalisierungsvorhaben, die zu Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit der EU als Wirtschaftsraum beitragen, mehrheitsbasierten Entscheidungsmechanismen von EU-Mitgliedsstaaten und EU-Parlament weichen.

Eine erfolgreiche digitale Transformation beginnt mit dem Menschen. Wenn der Mensch diese und die Rahmenbedingungen des digitalen Wandels gestalten soll, muss er befähigt werden, Chancen, Risiken und Folgen abschätzen zu können. Dies bedingt eine entsprechende Basis in der Aus- und Weiterbildung der EuropäerInnen.

Über ein Drittel der europäischen Arbeitskräfte verfügt derzeit nicht über zumindest grundlegende digitale Fertigkeiten, während 90 % aller Arbeitsplätze diese bereits benötigen. Gleichzeitig können in zahlreichen EU-Ländern offene Stellen mit IKT-Bezug nicht besetzt werden, in Österreich immerhin über 70 % der offenen Stellen. Dieser Fachkräftemangel auf der einen Seite, die fortschreitende Automatisierung und Digitalisierung in der Wirtschaft auf der anderen Seite, die bestehende Berufsprofile verändert oder obsolet macht, führen zu einer kritischen Entwicklung am Arbeitsmarkt. Darüber hinaus verfügen noch immer knapp 40 % der EuropäerInnen über keine ausreichenden, grundlegenden digitalen Kompetenzen, sind also vom digitalen Wandel ausgeschlossen. Gleichzeitig stellt der Mangel an digitalen Kompetenzen der Belegschaft  in  KMU  das größte Hindernis  für die  digitale Transformation dar. 70 % der Unternehmen in der EU geben laut EU-Kommission an, dass dieser Mangel an MitarbeiterInnen mit angemessenen digitalen Kenntnissen auch ein Investitionshindernis darstellt. Dieser digitalen Kluft kann nur mit einer massiven Ausbildungsoffensive auf nationalstaatlicher Ebene begegnet werden.

Die sogenannte „Digital Literacy“ umfasst digitales Allgemeinwissen und Anwendungskompetenzen, die es bedarfsorientiert, altersgerecht und strukturiert zu vermitteln gilt. So wie die grundlegenden Prinzipien in Lesen, Schreiben und Rechnen als Grundfertigkeiten allen Kindern bereits vermittelt werden und zur Basisbildung zählen, müssen auch digitales Allgemeinwissen und grundlegende digitale Anwendungskompetenzen (und diese verändern sich sehr rasch, was eine hohe Flexibilität des Schulwesens und der PädagogInnen erfordert) vermittelt werden. Ein Nachweis der beruflichen Anschlussfähigkeit von BerufseinsteigerInnen in einer immer digitaler werdenden Welt umfasst heute diese digitalen Kompetenzen, wenn wir davon ausgehen, dass 90 % aller Berufe diese bereits voraussetzen.

Im Bereich Bildung und Digital Skills sind daher folgende Punkte in die Wege zu leiten:

Es benötigt im Bereich Digitalisierung und Innovation ineinandergreifende Aktionspläne und Maßnahmen, die über alle Stufen des Bildungssystems – von der Elementarpädagogik, über das Pflicht- und weiterführende Schulwesen, bis hin zur Berufsaus- und Weiterbildung sowie zur Erwachsenenbildung – gleichsam berücksichtigt und gefördert werden. Das schließt nicht nur die Lernenden ein, sondern insbesondere auch die Vermittelnden (PädagogInnen, Bildungs- und BerufsberaterInnen, ErwachsenenbildnerInnen etc.). Eine Standardisierung des Aufbaus der digitalen Kompetenzen bei gleichzeitiger Flexibilisierung der Lernwege und -methoden ist unabdingbar, um der bereits bestehenden digitalen Kluft quer über alle Generationen entgegenzuwirken.

Die Verankerung von hochwertiger und integrativer digitaler Bildung im Schul-, Lehr-, Hochschulwesen und in jedweder Berufsausbildung bzw. Arbeitsmarktmaßnahme mit unterschiedlichen Kompetenzniveaus muss daher von der öffentlichen Hand ressortübergreifend vorangetrieben werden. Dazu benötigt es eine Standardisierung, sowohl der Inhalte und Messkriterien als auch der Infrastruktur im Bildungswesen, für die die EU den Grundstein legen sollte. Erfolg wird nur haben, wer klassisches Lernen und Studieren mit modernen Lehraktivitäten und den Kompetenzen und Fähigkeiten von morgen verknüpft.

Angemessene Investitionen in die Konnektivität, in die Ausrüstung und in die organisatorischen Kapazitäten sowie die entsprechenden Skills stellen sicher, dass jede Person am digitalen Wandel teilhaben kann. Bildung ist ein Menschenrecht und Zugang zur Bildung muss sichergestellt sein, unabhängig von der Umgebung, in der sie stattfindet und von der Art der Vermittlung (physisch, digital, hybrid, etc.).

Ein einheitlicher europaweiter, in allen EU-Ländern verpflichtend umgesetzter Kompetenzrahmen für digitale Kompetenzen für Lernende, Lehrende, Arbeitnehmende und Arbeitgebende schafft Orientierung, Messbarkeit und Vergleichbarkeit. Daher müssen verstärkt Maßnahmen für eine rasche EU-weite Umsetzung eines Standardkompetenzrahmens gesetzt werden – alleine schon, um die Freizügigkeit der ArbeitnehmerInnen in Europa zu optimieren.

Digitales Allgemeinwissen muss auch hinsichtlich neuer digitaler Technologien standardisiert vermittelt werden. Dies betrifft heute unter anderem bereits Künstliche Intelligenz, Blockchain, Cloud Computing, Data Science/Datenkompetenz etc. Auf diesem breiten, digitalen Allgemeinwissen lassen sich dann Tätigkeits- oder Berufsbild-spezifische Fachkompetenzen aufbauen. Sinnvoll ist es daher, Anreize für lebensbegleitendes Lernen zu schaffen, sei es beispielsweise über ein BürgerInnen-Bildungskonto oder spezifische Zielgruppen-Förderungen.

Besondere Bedeutung kommt im digitalen Wandel den Medien zu, die Informationen für die Konsumierenden in Kontext setzen und zur Bewusstseinsbildung – in die eine oder andere Richtung – beitragen. Das Medienkonsumverhalten gestaltet sich für die Generationen unterschiedlich; umso wichtiger ist es, die Medienkompetenz der BürgerInnen insgesamt zu stärken. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie schnell Desinformation zu gesellschaftlichen Verwerfungen führen kann. Wissenschaftsfeindlichkeit, ein gestörtes Vertrauensverhältnis in öffentliche Institutionen und eine zunehmende Polarisierung durch Social-Media können Gesellschaften in Krisenzeiten an den Rand eines demokratiepolitischen Kollapses bringen. Medienkompetenz als Fähigkeit, Medien zu nutzen und deren Inhalte in Kontext setzen zu können, zu verstehen und kritisch zu bewerten sowie selbst Inhalte in entsprechender Weise kommunizieren zu können, ist eine Schlüsselkompetenz in der digitalen Welt. Der Aufbau von Medienkompetenz muss verstärkt in strukturierten Bildungsmaßnahmen als BürgerInnenkompetenz verankert werden und Anreize geschaffen werden, damit sich BürgerInnen aktiv auch mit diesem Kompetenzfeld auseinandersetzen.

Zur Vermeidung der Fragmentierung von Ansätzen im Bereich der KI ist es notwendig Stakeholder möglichst eng in Entwicklungen und Vorhaben miteinzubeziehen und so Synergien zu schaffen. Die Zivilgesellschaft ist unmittelbar vom Einsatz von KI z.B. im öffentlichen Sektor betroffen und ist somit wesentlicher Stakeholder. Transparenz schafft Vertrauen und Wissen schafft Zugang.

Die Schaffung eines frei zugänglichen Registers und einer entsprechenden, kuratierten Checklist für KI-Systeme, welche im öffentlichen Bereich Einsatz finden, hilft Verständnis zu schaffen, Vertrauen aufzubauen und sowohl Unternehmen als auch BürgerInnen Orientierung zu geben.

Der Aufbau eines entsprechenden Basiswissens zu KI (Wirkungsweisen, Einsatzmöglichkeiten, Anwendungsfälle, etc.) unterstützt die digitale Mündigkeit der Zivilgesellschaft, um hier die Stakeholder-Rolle auch wahrnehmen zu können. Dabei ist auch Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung wichtig. Daher sollen weiterführende Kurse zu KI und zur Sensibilisierung zu dem Thema für ArbeitnehmerInnen strukturiert frei zugänglich gemacht werden.

Die wissenschaftliche Community ist ein wesentlicher Stakeholder, wenn es um den Ausbau der Kapazitäten und des Einsatzes von KI geht. Daher müssen rechtzeitig Maßnahmen getroffen werden, um einem „braindrain“ von KI-ForscherInnen entgegenzusteuern. Attraktive Einsatzgebiete, ambitionierte Projekte und Karrierewege müssen eine EU-weite Priorität sein.

Der Einsatz neuer Technologien führt unweigerlich zu Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt. Manuelle Tätigkeiten rücken schon seit Jahrzehnten immer mehr in den Hintergrund, Automatisierung und Technologisierung verändern Berufsbilder und Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Dies gilt auch für den Einsatz von KI-Systemen, die manche berufliche Tätigkeit ersetzen werden. Dafür bedarf es anderer Fertigkeiten, die den Einsatz von KI-Systemen überhaupt erst möglich machen. Daher muss es einen Ausbau von Kapazitäten zur Aus- und Weiterbildung im Bereich KI-Kompetenzen sowie Robotik und z.B. Halbleiter-Manufaktur geben und entsprechende Beratung und Begleitung sowie Unterstützung von denjenigen, die durch KI-Systeme potenziell Arbeit verlieren oder deren Arbeitsplatz sich verändert.

Der Ausbau der KI-Kapazitäten ist auch für die EU Wettbewerbsfaktor und unterstützt die digitale Souveränität. Der Ausbau der technologischen Lieferkette für KI in Europa gewährleistet diese Souveränität. Die Etablierung eines europäischen „Lighthouse“ für KI-Forschung würde die Vorhaben der derzeit bestehenden                           KI-Digital Innovation Hubs noch weiter bündeln, um Forschung, Wissenschaft und Wirtschaft (lokal, regional, national) noch besser miteinzubeziehen und in konkreten Anwendungsfällen oder Forschungsvorhaben zu unterstützen. Diese Maßnahmen müssen auch mit zusätzlichen Investitionen in nationale KI-Betriebe und Forschungseinrichtungen einhergehen, um sowohl national als auch europaweit die Stärkung und den Aufbau einer europäischen Supply Chain für KI sicherzustellen.

Wesentliche Bedeutung kommt der Start-Up-Szene zu, die durch spezifische europäische und nationale Unterstützungsangebote in ihren Forschungs- und Anwendungsbereichen gestärkt werden muss. Die KI-Regulierung muss hier ein besonderes Augenmerk auf diese Stakeholder legen, um den Freiraum für Innovation in der EU zu ermöglichen. Regulierungen die nicht adäquat, zukunftsorientiert und flexibel sind, könnten innovationshemmend wirken.

Eine rasche Erarbeitung einer europäischen, vertrauenswürdigen und wettbewerbsfähigen Cloud-Infrastruktur ist für Wirtschaft und Gesellschaft zukunftsweisend. Wichtig ist dabei der Wissenschaft als wesentlichem Stakeholder Zugang zu geben damit diese mit der Industrie mithalten kann.

Die Europäische Union verfolgt in der Regulierung von KI-Systemen einen harmonisierten Ansatz. KI-Systeme, die als „Hochrisiko“-Systeme eingestuft werden, sollen reguliert werden. Entsprechende Strukturen zur Umsetzung, Beratung und Begleitung von Wirtschaft, Wissenschaft und Entscheidungsträgern der öffentlichen Hand müssen nationalstaatlich aufgebaut werden.

Regulierung bedarf Standards und gemeinsamer Systeme, die über Nationalstaaten hinaus Anerkennung finden und Unternehmen und AnwenderInnen entsprechende Orientierung geben.

Der Aufbau eines europäischen TÜV-Modells für KI kann als pragmatischer und bereits in anderen Technologiebereichen erprobter Zugang rasch diese Orientierung geben.

Um in den Mitgliedsstaaten aber entsprechend praxisnah europäische Regulierungen umzusetzen, bedarf es entsprechender Kompetenzen. Dazu sollen auch in Österreich Strukturen und ExpertInnen aufgebaut werden, die sich mit den Themenbereichen KI-Regulierung, Policy und Ethik zur Unterstützung der Regierung bzw. der Unternehmen auseinandersetzen.

Die Nutzung von Synergien und der internationale Austausch zu den Entwicklungen im Bereich KI ist wesentlich. Daher soll der Ausbau von internationalen Dialogen mit Partnern zum Thema KI-Entwicklung zentral vorangetrieben werden.