Globale Nachhaltigkeitspolitik
Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs – Sustainable Development Goals) der Vereinten Nationen operationalisieren den globalen, konsensual angenommenen Blueprint für die Entwicklung der Menschheit „Agenda 2030“ und enthalten u.a. das Bekenntnis zu Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Zugang zu Wasser und Energie sowie Bekämpfung des Klimawandels und der Armut. Die SDGs liegen den politischen Leitlinien der Europäischen Kommission zugrunde und werden in den verschiedenen internen und externen Politikbereichen der EU umgesetzt. Entsprechende Initiativen der Kommission umfassen beispielsweise den European Green Deal, den neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft und die neue Industriestrategie. Auch bei den Aufbau- und Resilienzplänen legt die Europäische Kommission Wert auf die Berücksichtigung der SDGs. Die SDGs sind ein wichtiges Instrument, um die Werte und Ziele der EU weltweit zu verbreiten und stellen einen gemeinsamen Rahmen für internationale Partnerschaften dar.
Die EU unterstützt daher die Entwicklungsländer bei der Umsetzung der SDGs, etwa durch das Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit. Neue bilaterale Handelsabkommen enthalten ein Nachhaltigkeitskapitel zur Förderung der höchsten Standards im Klima-, Umwelt- und Arbeitnehmerschutz. Auch bei den Vereinten Nationen sowie in ihren Partnerschaften mit internationalen Organisationen wie den G7/G20, Weltbank, IWF und OECD setzt sich die EU für die globale Umsetzung der SDGs und der Agenda 2030 insgesamt ein.
Im Rahmen des Europäischen Semesters prüft die Europäische Kommission die Fortschritte der EU sowie der einzelnen Mitgliedstaaten bei der Erreichung der SDGs und kann den Mitgliedstaaten entsprechende Empfehlungen geben. Zudem wird in der jährlichen Strategie für nachhaltiges Wachstum (Jahreswachstumsbericht) festgelegt, wie die SDGs weiter in das Europäische Semester integriert werden, um eine vollständig aktualisierte und kohärente Berichterstattung über die Nachhaltigkeitsziele in allen Mitgliedstaaten zu ermöglichen. Österreich zählt bei der Erreichung der SDGs zu den Vorreitern.
Nachhaltige Entwicklung kann nicht von den Wirtschaftsmöglichkeiten abgekoppelt werden, da die EU in Konkurrenz zu anderen Wirtschaftsräumen steht. Beispielsweise erfordert erfolgreicher Klimaschutz die Beteiligung aller Wirtschaftsräume. Europa soll seinen Beitrag leisten und gleichzeitig erfolgreicher Wirtschafts- und Beschäftigungsstandort bleiben. Statt einer Deindustrialisierung Europas müssen Klimaschutz und Wirtschaftswachstum miteinander verknüpft werden. Es braucht daher ein konkretes Maßnahmenbündel für einen nachhaltigen, ökologischen Wandel in der EU im Einklang mit einer neuen Wachstumsstrategie. Auf globaler Ebene sollte sich die EU im Rahmen eines Klimaklubs Verbündete im Kampf gegen den Klimawandel suchen sowie Energiepartnerschaften mit anderen Wirtschaftsräumen eingehen.
Die EU soll die Unternehmen dabei unterstützen, die Chancen des grünen Wandels bestmöglich zu nutzen. Das ist beispielsweise durch den erleichterten Handel von Umwelttechnologien, -gütern und -dienstleistungen mit Drittstaaten, verstärkte Investitionen der EU in Energieinfrastrukturen, Forschung und Innovation sowie mit einer Diversifizierung der Versorgung durch grünes Gas und Wasserstoff zu erreichen. Ohne weiteren technologischen Fortschritt und Innovation wird der Wandel zu einer grünen Wirtschaft und Gesellschaft nur schwer erreichbar sein. Es gilt daher adäquate Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung zu schaffen und die notwendige Dotierung bereitzustellen, um die europäische Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten. Außerdem sind gezielte Maßnahmen für Unternehmen und ArbeitnehmerInnen zur Abfederung der Folgen der grünen Transformation erforderlich.
Nachhaltigkeit
Einsatz der EU für weltweiten Klimaschutz
Der Klimawandel ist ein globales Problem, das auch die Mitgliedstaaten der EU betrifft. Im Interesse des globalen Klimaschutzes und der europäischen Wettbewerbsfähigkeit sollte die EU sich für weltweit gültige Klimaschutzmaßnahmen einsetzen. Notwendig wäre ein „Klimaklub“ der EU mit anderen Staaten wie China und den USA, um international ein Level-Playing-Field zu schaffen. Die diesbezüglichen Bemühungen Deutschlands, unter seinem G7-Vorsitz auf internationaler Ebene die Gründung eines „offenen, kooperativen Klimaklubs“ anzustoßen, sollten daher unterstützt werden. Eine Klimaallianz führender Industrienationen kann den Boden für einen weltweit gültigen CO2-Preis vorbereiten. Der Pariser Klimavertrag ist entsprechend zu ergänzen.
Ehrgeizige Forschungs- und Entwicklungspolitik der EU
Im Bereich Forschung und Entwicklung (F&E) muss es darum gehen, dass die EU ihr transformatives Potential verwirklicht. Aufgrund ihrer Größe und Bedeutung als Wirtschaftsraum und als politische Kraft leistet eine nachhaltigere EU einen wesentlichen, unersetzbaren Beitrag in Richtung Verwirklichung von Nachhaltigkeit auf globaler Ebene.
Fortschritte bei Schlüsseltechnologien sind notwendig für den Wandel zu einer nachhaltigen und klimafreundlichen Wirtschaft und Gesellschaft. Sie bringen neue Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen und tragen zur Erreichung der SDGs der Vereinten Nationen bei. Forschungs- und Innovationstätigkeiten sind vor allem in Schlüsseltechnologien wie Künstliche Intelligenz, Mikro- und Nanotechnologie, Photonik, Quantentechnologie, neue Materialien (z.B. Graphen), Biotechnologie sowie Energie- und Mobilitätstechnologie (z.B. Wasserstoff/eFuels) zu verstärken. Nur mit einem breiten Bündel an Technologien und Energieformen in allen Sektoren ist die notwendige grüne und digitale Transformation zu schaffen. Im Fokus muss die Reduktion der CO2-Intensität in Summe stehen, nicht eine absolute Reduktion der eingesetzten Energiemenge. Daher ist auch die Technologieoffenheit eine wichtige Voraussetzung für zukünftige Fortschritte.
Eine ehrgeizige F&E-Politik der EU ist auch notwendig, um die Auswirkungen der Produktionsprozesse auf die Umwelt zu reduzieren. Um innovative Produktionsprozesse zu entwickeln und einzuführen, müssen Unternehmen weiterhin in Partnerschaft mit der Wissenschaft an innovativen Lösungen im Rahmen der Kreislaufwirtschaft arbeiten. Die Unterstützung von F&E-Aktivitäten zu nachhaltigen Materialien und Produkten ist essentiell. Dabei ist auf eine Balance zwischen offenen Forschungsprogrammen und zielgerichteten Programmen, die das Entstehen von disruptiven Ideen ermöglichen, zu achten.
Die Kommerzialisierung von Forschungs- und Innovationstätigkeiten in Europa ist durch geeignete Rahmenbedingungen voranzutreiben, beispielsweise durch Initiativen im Rahmen des neuen Europäischen Forschungsraums (Förderung der Mobilität von ForscherInnen, Weiterentwicklung von Forschungsinfrastrukturen und ihre Öffnung für Unternehmen, Defragmentierung der nationalen FTI-Systeme und Weiterentwicklung der Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft). Diese Initiativen sollen weiterentwickelt und schnell umgesetzt werden.
Geeignete Rahmenbedingungen zur Förderung von Forschungs- und Innovationsaktivitäten in Europa umfassen auch die Weiterentwicklung des Zugangs zu Finanzierung für KMUs, Start-Ups und Spin-Offs mit hochriskanten Innovationsprojekten, um ihre Skalierung zu ermöglichen, z.B. durch den Europäischen Innovationsrat (EIC) und die Europäische Investitionsbank, einschließlich über InvestEU. Ebenso wichtig ist die Verfügbarkeit von Talenten und Skills.
Die EU braucht außerdem einen klaren Rahmen für die internationale Kooperation in Forschung und Innovation. Die Degradierung der Beziehungen mit historischen Partnern, insbesondere mit der Schweiz und dem Vereinigten Königreich, schwächt die Innovationsfähigkeit Europas. Es könnte dazu führen, dass exzellente Partner aus diesen Drittstaaten alternative Kooperationen in konkurrierenden Regionen (z.B. China oder USA) suchen. Internationale Kooperationen sollten daher nur beschränkt werden, wenn es wirklich notwendig ist (z.B. im Rahmen des neuen Artikel 22 der Horizon Europe-Verordnung). Das Motto „as open as possible and as close as necessary“ ist für die technologische Souveränität weiterhin relevant.
Export von umweltfreundlichen Technologien, Waren und Dienstleistungen
Ein verbesserter Zugang zu den Märkten unserer HandelspartnerInnen sowie moderne Handelsregeln sind gerade in unsicheren Zeiten mit steigendem Protektionismus und Handelskonflikten unverzichtbar. Die EU muss sich daher weiter für die Förderung und Einhaltung von international geltenden Handelsregeln im Rahmen der WTO sowie für weitere EU-Handelsabkommen mit wichtigen Handelspartnern einsetzen. Ziel soll es sein, den gegenseitigen Marktzugang für Waren, Dienstleistungen und Investitionen u.a. im Umweltbereich zu verbessern und nicht gerechtfertigte Handelshemmnisse zu beseitigen.
Nachhaltige Entwicklung und internationaler Handel müssen einander verstärken. Neben den primär dafür gedachten multilateralen Umwelt- und Sozialabkommen (Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen, Pariser Klimakonvention, ILO-Arbeitsschutzkonvention etc.) können sowohl die WTO als auch EU-Handelsabkommen die Verpflichtung zur nachhaltigen Entwicklung bekräftigen und durch Förder- und Anreizsysteme sicherstellen. Handelssanktionen sind keine taugliche Option zur Durchsetzung von Nachhaltigkeitszielen.
Im Hinblick auf ein weltweit steigendes Bewusstsein für Nachhaltigkeit und die Pariser Klimaziele nimmt die internationale Bedeutung von Umwelttechnik (Abfall-, Wasser- und Abwassermanagement, Luft- und Bodenreinhaltung), erneuerbaren Energieträgern sowie Maßnahmen zur Energieeffizienz und Reduktion von CO2-Emissionen zu. Europäische Unternehmen können hier mit Know-how und qualitativ hochwertigen Produkten punkten.
Die EU sollte daher Verhandlungen mit Drittstaaten zum erleichterten Handel von umweltfreundlichen Technologien, Waren und Dienstleistungen und die Förderung des Aufbaus von nachhaltigen Wertschöpfungsketten zur Erreichung von Klimaschutzzielen ernsthaft angehen. Bei den Marktzugangsverhandlungen und bei der regulatorischen Zusammenarbeit soll der Fokus auf neuen Technologien wie z.B. Umwelttechnologien und zukünftigen Entwicklungen liegen.
Bei Verhandlungen der EU über neue Handelsabkommen muss auch vermehrt darauf geachtet werden, dass der Zugang zu wichtigen Rohstoffen und Vorprodukten für die EU-Produktion abgesichert wird. Dadurch können auch die Widerstandsfähigkeit, Diversifizierung und Sicherheit der Wertschöpfungsketten garantiert werden.
Die EU sollte zudem ihren Einsatz für weltweiten Klimaschutz (Mitigation und Adaptation, inklusive Finanz-Transfers in und Technologie-Kooperationen mit Ländern des „globalen Südens“) fortführen und alle Möglichkeiten ergreifen, mit gewichtigen Akteuren wie den USA, China, Indien u.a. klimabezogen zusammenzuarbeiten.
Soziale Dimension der grünen Transformation
Die Transformation in Richtung einer klimafreundlichen Politik stellt die Unternehmen wie auch deren Beschäftigte vor große Herausforderungen. Neben etwa steigenden Energiepreisen werden sich Geschäftsfelder verändern, einige werden wegfallen, viele andere dazukommen. Zur Abfederung der Folgen braucht es eine gezielte Unterstützung, die jedenfalls auch KMUs miteinschließen muss. Dabei darf der Mangel an Fachkräften zu keiner Wachstumsbremse werden. Es ist wichtig, dass die Beschäftigten mit jenen Skills ausgestattet sind, die ihnen die Anpassung an die Veränderungen in der Arbeitswelt erleichtert. Letztlich ist Erwerbstätigkeit der beste Schutz gegen Armut. Nicht zu vernachlässigen ist die individuelle Verantwortung der VerbraucherInnen durch bewusstes Konsumverhalten und Verringerung der Verschwendung von Lebensmitteln.
Energie
Energiepartnerschaften und Energieinfrastrukturen
Die Energieversorgung zu leistbaren Preisen muss für Unternehmen und Haushalte gesichert werden. Vor dem Hintergrund stark steigender Energiepreise muss die EU mit anderen Wirtschaftsräumen Energiepartnerschaften eingehen, um den 27 Mitgliedstaaten zusätzliche nichtfossile Energieträger wie beispielsweise Wasserstoff und grünes Gas zur Verfügung zu stellen. Partnerschaften mit Ländern, die über ausreichend Sonne oder Wind verfügen und deshalb Wasserstoff günstig herstellen können, sollten daher ein wichtiges Ziel der EU sein.
Der steigende Strombedarf, der u.a. von einem Anstieg der Fahrzeuge mit alternativen Antrieben aber auch aufgrund der aufstrebenden Bedeutung von grünem Wasserstoff verursacht wird, muss sowohl durch ausreichende Erzeugungskapazitäten als auch durch einen massiven Ausbau der notwendigen Infrastruktur (wie z.B. der Stromnetze) gedeckt werden. Es ist daher dringend eine Beschleunigung und Vereinfachung der Verfahren für den Bau dieser Anlagen erforderlich. Bei der Energieinfrastruktur-Verordnung (TEN-E-VO) ist die Gelegenheit der Verfahrensbeschleunigung leider verpasst worden. Die Revision der Industrieemissionen-Richtlinie sollte jedenfalls zur Verfahrensbeschleunigung genutzt werden. Darüber hinaus wären etwa auch Beschleunigungspotenziale in der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und der Vogelschutz-Richtlinie auszuschöpfen. Auf eine Ausgewogenheit bei der weiteren EU-Umsetzung der Aarhus-Konvention, bei einer möglichen Revision der Umwelthaftungs-Richtlinie sowie bei den aktuellen EU-Verhandlungen zur revidierten Umweltkriminalitäts-Richtlinie ist zu achten, ebenso auch bei den anstehenden Umsetzungsschritten nach der EU-Biodiversitätsstrategie.
Notwendig sind mehr EU-Förderungen für alternative Antriebe wie Wasserstoff und E-Fuels für Schwerverkehr, Luftfahrt und Schifffahrt sowie für Übergangstechnologien wie z.B. kohlenstoffarmes Gas, CNG/LNG (CNG mit der Einschränkung, soweit das die aktuelle Erdgassituation erlaubt) und die dazugehörige Lade- und Betankungsinfrastruktur.
Energie-Partnerschaften und andere Maßnahmen zur raschestmöglichen Erreichung von strategischer Energie-Sicherheit und zur Erreichung einer klimaneutralen Wirtschaft – auch durch die ausgeweitete Bereitstellung von grünem Wasserstoff – sollen vorangetrieben werden.