Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit
Die Klimakrise ist möglicherweise die komplexeste und gravierendste Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Bei allem Bewusstsein, dass jede und jeder einen Unterschied machen kann, ist es nicht zielführend, in erster Linie auf die individuelle Änderung von Lebensstilen und Verhaltensweisen zu setzen. Es braucht grundlegende politische Weichenstellungen, wobei Maßnahmen, die auf europäischer oder gar globaler Ebene umgesetzt werden können, auf der einen Seite einen höheren Koordinierungsaufwand mit sich bringen, auf der anderen Seite aber effizienter und effektiver sind.
Ungleichheit schädigt das Klima und hemmt die Klimapolitik
Das reichste 1% verursacht weltweit mehr als doppelt so viel CO2-Ausstoß wie die ärmere Hälfte. Der ökologische Fußabdruck wohlhabender Menschen ist maßgeblich größer als jener mit geringen Einkommen und Vermögen. Gleichzeitig sind Menschen unterschiedlich stark von klimapolitischen Maßnahmen betroffen – vor allem, wenn Verbrauchssteuern auf Güter des täglichen Bedarfs eingeführt werden und damit für viele etwa das Heizen teurer wird. Noch problematischer wird diese Form der Klimapolitik für jene Menschen, die nicht auf die Preissteigerung reagieren können, indem sie den Verbrauch reduzieren oder verlagern. Das betrifft etwa MieterInnen, die keinen Einfluss auf die Beschaffenheit ihrer Heizung und Isolierung ihres Wohnhauses haben, oder auch Menschen, die ihre Alltagswege nicht ohne Auto zurücklegen können, weil das Alternativangebot fehlt oder nicht ausreicht.
Ökonomische Ungleichheit ist für die Klimapolitik auf zwei Ebenen ein Problem. Am oberen Ende führt übermäßiger individueller Reichtum zu übermäßigem Ressourcenverbrauch (z.B. CO2-Ausstoß von Privatjets, Boden- und Energieverbrauch durch große mehrfach-Wohnsitze). Am unteren Ende ist die alltägliche Sorge um die Finanzierbarkeit des täglichen Lebens so groß, dass sie in ihrer Dringlichkeit jene um die Klimakrise überwiegt. Appelle an eine freiwillige, individuelle Änderung des Konsumverhaltens – etwa eine umweltfreundlichere Ernährung – gehen nicht nur ins Leere, sondern werden dann auch als ungerechte Kritik an der eigenen Art zu leben wahrgenommen. Das kann zu einer generellen Skepsis gegenüber einer ambitionierten Umwelt- und Klimapolitik führen.
Die politische Ableitung daraus ist, dass es nicht nur essenziell ist, Klimapolitik mit einem sozialen Ausgleich zu versehen. Ohne eine Reduktion der Ungleichheit an sich wird eine effektive Klimapolitik per se noch schwieriger.
Die Europäische Kommission hat in ihrem Green Deal die soziale Dimension der Klimapolitik erkannt und zumindest entsprechende Ausgleichsmaßnahmen dazu vorgeschlagen. Speziell ist dabei die Schaffung eines „Klima-Sozialfonds“ zu nennen, der aus dem EU-Haushalt gespeist wird und es den Mitgliedstaaten ermöglichen soll, die BürgerInnen direkt finanziell zu unterstützen.
Investitionen ermöglichen und tätigen
Dass die ökologische Transformation einen massiven Investitionsbedarf mit sich bringt, ist unbestritten. Wenn Instrumente wie etwa eine sozial abgefederte CO2-Bepreisung funktionieren und dementsprechend zu einer ökologischen Anpassung der Lebensweise führen sollen, dann braucht es entsprechende Handlungsalternativen, wie etwa ein gut ausgebautes öffentliches Verkehrssystem.
Die Europäische Kommission geht in ihrem Green New Deal von einem Investitionsbedarf von etwa 260 Milliarden Euro pro Jahr aus, andere sehen den Bedarf deutlich höher (siehe z.B. Kapeller et.al. mit einem Investitionsbedarf von bis zu 855 Milliarden Euro pro Jahr bis 2030). Wer diese Investitionen tätigen soll, ist dabei weniger klar. In vielen Berechnungen, darunter jener der Europäischen Kommission, wird von einer hohen Investitionsleistung des privaten Sektors ausgegangen. Ob diese im notwendigen Maße eintreten wird, ist Gegenstand kontroversieller Diskussionen.
Die Rolle der öffentlichen Hand als Investorin für die Erreichung der Klimaziele wird von hoher Bedeutung sein. Alleine die Errichtung hochwertiger Infrastrukturanlagen (z.B. Ausbau des Schienennetzes), aber auch das Gestalten und Vorantreiben von Innovationsprozessen zählen zu den Aufgaben staatlicher Strukturen. Dafür braucht es auch die nötigen fiskalischen Spielräume.
Die Auswirkungen der Klimakrise abfedern
Die Klimakrise wirkt sich auf unterschiedliche Bevölkerungsgruppen unterschiedlich stark aus. Dabei leiden speziell jene Menschen, die über weniger Ressourcen verfügen. Diese wohnen in günstigen Wohngegenden, oft in oder neben Industriegebieten oder an stark befahrenen Straßen. Das vermehrte Auftreten längerer Hitzeperioden im Sommer trifft jene mit nicht-klimatisierten Wohnungen und ohne Wochenendhaus im Grünen, aber auch ArbeitnehmerInnen besonders hart. Hohe Temperaturen am Arbeitsplatz sind gesundheitsgefährdend und beeinträchtigen die Leistungsfähigkeit.
Dazu sollte es arbeitsrechtliche Gegenmaßnahmen geben. ArbeitgeberInnen sollten ab Raumtemperaturen über 25°C verpflichtet werden, geeignete Maßnahmen zur Kühlung der Räumlichkeiten zu setzen. Bei einer Raumtemperatur über 30°C ist abgesehen von bestimmten Arbeiten mit hoher Wärmestrahlung, die durch das Arbeitsverfahren bedingt sind, die Arbeit nicht zumutbar. Regelungsbedarf gibt es auch bei der Arbeit im Freien, insbesondere auf Baustellen, die zu regelrechten Hitzeinseln werden.
Die Dekarbonisierung der Industrie betrifft somit in einem hohen Ausmaß ArbeitnehmerInnen, für die ausreichende Mittel für (Re-)Qualifizierungsmaßnahmen und Initiativen für Umschulungen auf zukunftssichere Berufe, Beratung und Begleitung zur Verfügung gestellt werden müssen.